Interview with German Pianist Pablo Held, January 2019
Also check out Pablo’s interview series with fantastic musicians, including Norma Winstone, Bill Stewart, Kevin Hays and many others:
https://pabloheldinvestigates.com/
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Max: Dein Trio gehört für mich zu den spannendsten, Bands in Europa im Moment. Wie habt ihr euch eigentlich kennen gelernt?
Pablo: Als ich ein Teenager war bin ich jeden Montag auf die Session im „Jatz“ in Dortmund gefahren und habe gelernt Standards zu spielen. Dort haben immer gute Bands aus ganz NRW die Session eröffnet. Robert war mehrmals da und Jonas auch. Und natürlich hab ich Lust gekriegt mit den Jungs zu spielen. Ich weiß nicht ob ich wirklich dort zum ersten Mal mit beiden gespielt habe… auf jeden Fall nicht zusammen im Trio! Als ich dann nach Köln gekommen bin zum Studieren, habe ich dann relativ bald eine Session mit beiden ausgemacht. Das war das erste Mal wo wir wirklich zusammen gespielt haben – In Jonas‘ altem Proberaum. Ich habe ein paar alte Stücke mitgebracht und danach habe ich – zumindest ist das, was die mir immer erzählen – verkündet: „Ihr seid jetzt mein Trio!“ Danach haben wir weiterhin sehr viele Sessions gespielt und haben sehr viel zusammen abgehangen, Musik zusammengehört, viel ins Kino gegangen, einfach viel zusammen gemacht. Irgendwann wurde das mit den Gigs dann auch mehr. Und so konnten wir dann irgendwann auch durch meinen Lehrer Hubert Nuss mit Pirouet Records in Kontakt kommen… da wurde ich empfohlen von ihm, und wir konnten Probeaufnahmen machen. Und nach diesen Probeaufnahmen haben wir dann noch mal eine Session gemacht und das ist dann unsere erste Platte geworden, die dann 2008 rauskam.
Max: Das sind ja inzwischen sehr enge Beziehungen oder? Gerade in einem Trio … Ihr kennt euch ja wahrscheinlich sehr gut inzwischen, oder?
“Wir sind jetzt in unserem 13 Jahr als Trio…es hat eigentlich schon sowas Brüderliches.”
Pablo: Ja. Es ist eigentlich mehr als eine Freundschaft. Wenn man so viel zusammen ist und so viel gemeinsam erlebt hat, ich meine wir sind jetzt in unserem 13 Jahr als Trio. Wir haben natürlich eine tiefe Freundschaft, und sind eng miteinander, aber es hat eigentlich schon sowas Brüderliches. So fühlt es sich auf jeden Fall an. So wie man als Brüder auch mal anecken kann. Man weiß aber, dass immer alles o. k. ist…Und aber gleichzeitig auch diese „Großer Bruder, kleiner Bruder…“ Dynamik, die gibt es eigentlich mit Jedem von uns. Also man kann auch mal der große Bruder sein oder auch mal der Kleinere.
Max: Was ist denn der Altersunterschied genau?
Pablo: Ich bin jetzt 32, Robert wird 37 und Jonas … Ist schon 37. Also ich war natürlich immer der Jüngste, aber das haben sie mich größtenteils nicht spüren lassen. Ich konnte viel von denen lernen, aber wir haben dann auch einfach viel zusammen gemacht. Wir stellen das eigentlich auch immer wieder fest, wie sehr wir uns gegenseitig beeinflussen. Musikalisch, und menschlich natürlich auch. Wenn du so viel Proben miteinander hast, kannst du total viel voneinander lernen, zum Beispiel wie man mit schwierigen Situationen, mit dem Vibe in einer Probe, oder wie man mit lustigen Situationen umgeht… Es gab Zeiten, in denen wir eigentlich kaum Proben konnten, weil wir uns total kaputtgelacht haben und die ganze Zeit nur Scheiße gebaut haben. Und es war auch irgendwie wichtig für uns. (lacht)
Ja… Man kann auf jeden Fall viel lernen, wenn man so verschiedene Phasen durchmacht. Verschiedene Dynamiken in einer Band. Wir haben jetzt einfach schon sehr viel gemeinsam durchgemacht und es tun sich trotzdem immer wieder neue Wege und neue Situationen auf. Über die Jahre ist natürlich auch ein großes Vertrauen entstanden, sodass man sich wirklich alles sagen kann. Wir reden ganz offen darüber, wenn uns etwas nicht gefällt, oder wir das Gefühl haben wir stecken fest, oder es passieren oft dieselben Sachen. Wir achten darauf, dass man nicht irgendwie Themen verschleppt. Wenn man alles ansprechen kann, immer mit Respekt, dann gibt es eigentlich wenig, was einem im Wege stehen kann.
Max: Du hast jetzt ja auch Projekte neuerdings, bei denen nicht so eine enge Beziehung besteht. Mehr im Sinne von Bandleader und Sideman. Erlebst du Vorteile und Nachteile von diesen verschiedenen Arbeitsansetzen?
“Ich habe mir einfach über die Jahre so viele Gedanken zu dieser Besetzung (Trio), zu diesem Sound gemacht, sodass es jetzt unwiederbringlich verbunden ist mit diesen Menschen.”
Pablo: Naja ich kann nichts mit dem Trio vergleichen und will es auch nicht. Wenn man gerade mit einer Band anfängt und es dann immer mit einer anderen 13-jährigen Beziehung vergleicht, dann wird die Überwindung viel zu groß, da wirklich weiter in die Tiefe zu gehen. Es ist eben etwas neues. Ich habe ja nun ein neues Quartett seit 2018, und wir spielen eben erst immer dann, wenn es einen neuen Gig gibt. Und das ist mit einer neuen Band nicht oft. Und ist auch OK. Ich kann nicht erwarten, dass gleich ein Interesse besteht wie beim Trio…; Trotz meiner Entscheidung mein Trio immer als mein Hauptprojekt zu haben, möchte ich auch andere Projekte machen, gerade weil diese, das Trio auch von einer anderen Seite inspirieren können… also unterstützen. Ich empfinde meine ganzen anderen Projekte, wie meine Konzertreihe oder meine Interview Serie, mein neues Quartett oder wenn ich Solo spiele, als etwas das wiederum ins Trio auch einfließen kann. Da gibt es keine Unter- oder Über-ordnung oder so etwas, aber ich genieße diese Gelegenheiten, wo ich mit neuen Leuten spielen kann. Bei meiner Konzertreihe ist es so, dass man sich wirklich erst an dem Abend selbst trifft. Also ich schicke die Musik zwar Wochen vorher per E-Mail herum, aber man trifft sich wirklich nur an dem Tag. Also das komplette Gegenteil vom Trio. Und das ist total spannend für mich, denn ein erstes Treffen mit Leuten hat immer etwas Magisches, weil alle so ganz besonders zuhören. So wie man auch nach einigen Jahren besser zuhört… Aber dieses erste Mal zuhören, da sind noch alle auf Achtstellung und versuchen genau herauszufinden wie der Andere denn spielt. Ich versuche deshalb auch, Rhythmusgruppen zu verwenden, die sich noch nicht kennen, damit es wirklich frisch ist. Gerade das finde ich besonders spannend.
Max: Also werden wir nicht mit einem Pablo Held Trio Album rechnen müssen, mit einer anderen Rhythmusgruppe?
Pablo: Das wäre dann eine ganz andere Band… Aber ich kann mir kein anderes Trio vorstellen, ehrlich gesagt. Das hat nichts mit gut oder schlecht zu tun, denn die Musik, die ich für Klaviertrio schreibe, die schreibe ich mit Jonas und Robert im Kopf. Da kann eigentlich kein Anderer spielen. Egal wie gut oder schlecht er oder sie spielt, die Musik ist einfach für diese Menschen geschrieben. Klar spiele ich auch mal ein Triostück mit einer anderen Band – da ist ja nichts falsch daran. Ich habe über die Jahre ja so viele Stücke geschrieben, wenn die nun alle verboten wären, das wäre auch Quatsch. Ist ja auch super, wenn sie in einem anderen Kontext wachsen und sich entfalten können. Aber wenn es jetzt um Klaviertrio geht … Da versuche ich wirklich in dieser Formation nichts anderes zu machen. Also ich werde auch nicht mit einem anderen Klaviertrio, wo ich der Pianist bin, selbst als Sideman, auf Tour gehen. Außer, das wäre jetzt völlig andere Musik … Ich habe mir einfach über die Jahre so viele Gedanken zu dieser Besetzung, zu diesem Sound gemacht, sodass es jetzt unwiederbringlich verbunden ist mit diesen Menschen.
Max: In deinem Interview mit Frank Kimbrough spricht Frank, über Paul Bley und über Pauls sogenanntes „Wave time“. Als ich das las, musste ich an dein Trio denken, denn ich kenne kaum eine Formation, die das so gut meistert wie ihr: Diese Art Rubato-spiel, die mich sehr an klassische Musik erinnert. Besonders erstaunlich, finde ich, wie Jonas das mit dem Schlagzeug orchestriert. Ich denke da zum Beispiel an das Stück „Lament“ vom Album „Lineage“. Habt ihr an so etwas, auch ganz konkret gearbeitet bzw. das geprobt?
“Warum können wir nicht so miteinander atmen wie ein Streichquartett?“
Pablo: Ja! Sehr viel sogar. Das ist etwas, was mich lange Zeit beschäftigt hat. Im Grunde die Frage: „Warum bleibt man in einem Tempo, nachdem man eingezählt hat?“. Natürlich gibt es Beispiele, bei denen das nicht so gemacht wird… Aber ich hatte das spezifisch auf uns bezogen. Warum kann man nicht acht Takte Time spielen und dann wieder acht Takte Rubato? Warum kann man nicht sieben Takte Time spielen und dann einen Takt Rubato? Wir haben uns immer ganz viele W-Fragen gestellt… Warum geht das nicht auch mal anders? Warum muss ein Solo immer so anfangen? Ich habe mir auch Gedanken darüber gemacht, dass wir doch sehr viele rhythmische Ideen geübt und erarbeitet haben, sei es „Verschieber“, Gruppierungen o. ä…. Wie klingen diese denn im Rubato? Wie klingt ein „Verschieber“ im Rubato? Wie klingt ein Off-Beat im Rubato? Wie klingt ein Solo-Stop im Rubato? …Alles was wir normalerweise mit Groove assoziieren. Wie kann sich das im Rubato anfühlen? Darüber haben wir uns sehr viele Gedanken gemacht und haben versucht daran zu arbeiten… Dann war auch eine wichtige Erkenntnis, dass bei vielen unserer Helden sich die Time anfühlt wie ein Rubato… weil es so frei klingt. Also, wenn du jetzt an Tony (Williams) denkst in seinen späteren Zeiten bei Miles – wenn er da ein schnelleres Tempo gespielt hat, dann klingt das fast wie Rubato. Und bei vielen Spielern, die ich gehört habe, die mir nicht so gut gefallen haben, war es so, dass sich Rubato immer nach „abwarten“ angehört hat. Und danach, dass sich alle möglichst zunicken, wenn der nächste Akkord kommt, anstatt sich wirklich zuzuhören. Weißt du, manchmal wird Rubato zu so seiner visuellen „Cue-Orgie“. Anstatt, dass man einfach zuhört… Man hört ja wenn ein Bassist einen anderen Basston spielt, und wenn nicht – dann muss man daran arbeiten, dass man dazu im Stande ist. Das musste ich machen. Sich mit den Instrumenten und deren Geschichte bzw. Tradition beschäftigen.
Und Jonas versucht einfach bei diesen Rubato Stücke sich so gut wie möglich mit der Komposition vertraut zu machen, sodass er sich über diese Phrasen, die ja schon eine bestimmte Länge haben – aber eben kein metronomisches Tempo – so frei fühlen kann, wie wenn er über Time spielt. Diese Art des fließenden Rhythmus in Klassischer Musik hat mich stark beeinflusst. Warum können wir nicht so miteinander atmen wie ein Streichquartett?
Max: Ja das wollte ich gerade fragen ob du glaubst, dass das damit zusammenhängt.
Pablo: Ja absolut! Diese ganzen Einflüsse, sei es von Sinfonien, Quartetten oder „Sacre du Printemps“, wo es unfassbar rhythmische Teile gibt, die… grooven. Und dann, wenn es wieder so freischwebend ist… Ich wollte einfach in meiner Band die Grenzen, oder die „scheinbare Grenze“ zwischen diesen Welten runterbrechen… aber auch rhythmisch, die zwei Seiten näher aneinander bringen.
Max: Wenn ihr jetzt ein Album aufnehmt, wie sieht euer Prozess konkret aus? Jetzt hast du über euren Prozess über die letzten 10 Jahre gesprochen. Aber wenn du mit deinem Trio in zwei Wochen ein neues Album aufnimmst, wie sieht euer Arbeitsprozess aus? Gibt es den?
“Alles aus dem Weg räumen, was mich davon abhält loszulassen.“
Pablo: Ja! Wenn wir ein Album aufnehmen wird meist vorher öfters geprobt. Beim ersten Album haben wir uns eine Art Probephase „verordnet“. Dabei haben wir ganz viel die neuen Stücke geprobt, und dann auch Standards gespielt und darüber rhythmische Sachen ausprobiert. Erst einmal muss es dir über etwas „Bekanntem“ einfallen können, und dann kann es dir auch wo anders einfallen. Das haben wir viel gemacht. Eigentlich wurde vor jeder Aufnahme geprobt und Konzerte gespielt. Das wird bei der neuen Platte, die wir im Sommer aufnehmen wahrscheinlich auch wieder so sein. Ich muss jetzt nur noch die Stücke besser kennenlernen. Alles aus dem Weg räumen, was mich davon abhält loszulassen.
Max: Du sprachst vorher vom freien Spiel und du nanntest es das Unbekannte. Nun bist du ja, der Bandleader deines Trios. Überlegst du dir bevor ihr ins Studio geht schon ein größeres Konzept? Oder wie viel bei seiner Produktion, entwickelt sich erst im Studio?
Pablo: Es kommt immer auf das Stück an, aber größtenteils ergibt sich alles im Moment. Manchmal entscheiden wir vorher Bass Solo oder Klaviersolo gibt… Aber eigentlich gibt es selten einen größeren Plan. Wenn wir nun ein längeres Stück aufnehmen, sowie „Lament“ ist sehr klar, dass wir irgendwann mal alles davon spielen wollen … Und dass es einen Solo-teil in der Mitte gibt usw. Aber trotzdem, sollten immer alle Türen für jegliche Entwicklungen offen bleiben.
Max: Das heißt ein Pablo Held Trio Album ist auch eine Art Dokumentation von eurer musikalischen Konversation? Ist eigentlich ähnlich zu einem Livekonzert.
Pablo: Ja, es ist schon so, dass ich im Studio meine Kompositionen dokumentieren möchte, aber in denen gibt es wahnsinnig viel Freiheit. Und live nehmen wir uns immer noch mehr Freiheiten. Die Stücke werden teilweise komplett dekonstruiert und nur noch bruchstückhaft gespielt – teilweise aber auch einfach von vorne bis hinten durch. Auch hier wollte ich, dass alles möglich ist. Wenn die Absprache, oder das „Unverständnis“, oder fehlende Empathie, dazu führt, dass man doch einenTeil spielt, obwohl man keine Lust hat, obwohl man sich nicht danach fühlt und die Musik gar nicht danach verlangt, fühlt sich das schrecklich an! Diese Gefühle wollen wir nicht haben. Dadurch ist die Musik freier geworden… Das ist im Studio etwas weniger so, denn man arbeitet ja für etwas, das für lange Zeit bestehen soll, und da ist in mir dann auch vielleicht mehr der Komponist, der das Stück eben auch mal so dokumentieren will, wie es geschrieben wurde. Trotzdem sehe ich die Stücke als eine Art Landkarte, wo man eine bestimmte Route vorgegeben hat, aber es gibt bestimmte Punkte wo einfach ein Fragezeichen steht. Also: „Wir kommen da zwar jetzt an aber wissen nicht genau was da ist …“ Das muss man dann gemeinsam rausfinden.
Max: Du hattest vorher angesprochen, dass du ja schon in sehr jungen Jahren, viel zum Spielen gekommen bist. Diese Auftrittsmöglichkeiten und sagen wir mal frühe „Karriere“, waren diese und die wichtig für dich und die Entwicklung deines Trios? Und wie wichtig ist das regelmäßige Auftreten für euch?
“Ich kann nicht darauf warten, dass mir jemand Gigs anbietet – Ich muss mich selber darum kümmern!”
Pablo: Es ist unheimlich wichtig! Ich bin ja daran interessiert, meine Musik spielen zu können und meine Band „halten“ zu können. Also muss sich alles dafür tun, dass das möglich ist. Ich kann nicht darauf warten, dass mir jemand Gigs anbietet – Ich muss mich selber darum kümmern! Wenn ich der bin, der dafür geradestehen muss, dass nichts passiert, sehe ich zu, dass was passiert! Je mehr Gigs wir spielen, desto mehr kann die Musik wachsen.
Max: Jetzt hast du ja gerade ein Interview gemacht mit dem Hubert Nuss… für seine Generation von Jazz-musikern, war das „Booking“ sicher ein ganz anderes Erlebnis. An junge Jazzmusiker aus unserer Zeit, werden teils ganz andere Erwartung gestellt. Wir leben im Zeitalter von Streaming, Social Media und „Jazz-ahead“. Ich glaube Musiker und Musikerinnen, haben dazu verschiedene Stellungen, und wählen verschieden Strategien um damit umzugehen.
Hast du dir dazu schon Gedanken gemacht, wie du dazu stehst? Und wie viel Zeit nimmt das ein in deinem Leben?
“Ich benutze nicht soziale Medien um mich darzustellen, oder um „Likes“ zu sammeln, sondern nur weil ich spielen will!”
Pablo: Es nimmt sehr viel Zeit ein und es nervt auch. Ich hatte ganz lange eine Hass-liebe damit. Es ist durch mein neues Label (Edition-records) gekommen, dass ich mich mehr mit solchen Sachen auseinandergesetzt habe. Letztendlich geht es darum, dass ich meine Musik mache, und dass ich auf der anderen Seite mich bemühe, dass meine Musik Leute erreicht – Ganz pragmatisch gesehen. Wenn ich will, dass meine Musik bestimmte Leute erreicht, muss ich bestimmte Medien nutzen, die diese Leute nutzen, damit meine Musik dort verfügbar ist. Oder nicht nur meine Musik, sondern ich als Person, mit dem was ich mache. Ich kann das jetzt boykottieren, aber ich habe das Gefühl, ich bin noch nicht an einem Punkt, wo ich mir das „erlauben“ kann. Quasi jetzt mein Handy ausschalten, bei Facebook, Instagram abmelden, die Musik von allen Streaming Platformen nehmen und sagen: „OK, wenn jemand was von mir will, dann muss er mir einen Brief schreiben und dann antworte ich irgendwann. Ansonsten mache ich Nix! Wenn ich ein neues Album rausbringe, erwarte ich, dass Leute sich von sich aus auf die Suche machen…“ Ich habe das Gefühl, dass das in meiner Situation nicht angebracht wäre. Und solange ich mit den Social Media Platformen einen spielerischen und weniger businessorientierten Weg finde, ist es ein Übel das ich in Kauf nehmen kann. Es ist für mich immer nur Mittel zum Zweck: Ich möchte mehr spielen und damit mehr Menschen erreichen! Ich benutze nicht soziale Medien um mich darzustellen, oder um „Likes“ zu sammeln, sondern nur weil ich spielen will!
Max: Mehr spielen heißt für dich mehr Live-konzerte?
Pablo: Wenn mich Leute nach meinen Zielen fragen, antworte ich meistens, dass ich das weitermachen möchte, was ich seit einiger Zeit schon mache: Nämlich meine eigenen Projekte, , meine Konzertreihe und meine Interview Reihe. Und ich möchte auch noch mit viel mehr anderen MusikerInnen spielen, die ich noch nicht kenne, sei es nun mit alten Meistern oder mit ganz jungen Leuten. Ich kann nicht einfach darauf vertrauen, dass meine Träume einfach so in Erfüllung gehen. Ich muss dafür etwas tun. Einige Sachen von den ich jahrelang geträumt habe, sind tatsächlich passiert, aber nicht weil ich einfach nur davon geträumt habe. Sondern weil ich alle Hebel dafür in Bewegung gesetzt habe, dass das auch tatsächlich passieren kann! Das ist auch eine Mentalitätsfrage… Was Social Media betrifft, habe ich die Maßgabe, nicht mich selbst zu inszenieren, sondern ich versuche es so zu machen, wie ich es gerne von meinen Vorbildern sehen würde! Wenn ich Noten poste, möchte ich eigentlich Noten von Wayne Shorter sehen. Oder wenn ich ein Album teile, was ich gerade höre, bin ich eigentlich daran interessiert, was meine Helden gerade hören. Auf diese Art blende ich die völlig berechtigte Frage „interessiert das jetzt jemanden?“ aus. Es ist wie ein Schalter den ich drücke, der mir sagt „Irgendwen wird’s schon interessieren“.
Max: Da hast du Recht, mich interessiert das zum Beispiel!
Pablo: Das freut mich! … So mache ich das mit der Musik auch letztlich: ich versuche so zu spielen, wie ich es gerne hören würde. So ist die Chance dann vielleicht größer, dass es anderen auch gefallen kann … Auf jeden Fall ist die Chance größer, als wenn ich mich darauf konzentrieren würde anderen zu gefallen. Weißt du?
Max: Die Tatsache, dass du dir dazu schon einige Gedanken gemacht hast, zeugt ja davon, dass dich das ziemlich beschäftigt. Was würdest du JazzmusikerInnen, die neu “ins Geschäft einsteigen“, empfehlen beim Umgang mit Social Media, Business etc.?
“Wenn man etwas will, muss man auch etwas dafür tun. Ich habe oft das Gefühl, dass Leute darauf warten entdeckt zu werden.”
Pablo: Ich glaube, dass es das allerwichtigste ist sich um die Musik und um das eigene Umfeld zu kümmern. Und was Social Media betrifft… jemand der jetzt zehn Jahre jünger ist als ich, weiß eh über all das Bescheid! Ich habe da nicht das Gefühl, dass ich da ein Vorreiter sein kann. Sondern ich lerne da eher von den jungen Menschen damit umzugehen. Des Weiteren find ich es ganz wichtig sich darüber im Klaren zu sein, was man wirklich will. Dann zeigt sich relativ schnell: Wenn man etwas will, muss man auch etwas dafür tun. Ich habe oft das Gefühl, dass Leute darauf warten entdeckt zu werden. Und meiner Ansicht nach gibt man damit zu viel Verantwortung ab…Man legt das eigene Schicksal in die Hände anderer und wartet darauf das etwas passiert. Dann kommen Gedanken wie: „Warum werde ich nicht für die&die Band gefragt..?“ Aber das Ding ist, die Leute werden erst auf einen aufmerksam, wenn sie wissen für was man steht; wenn man selber Sachen initiiert. Man kann einfach nicht nur auf andere warten. Man muss sein eigenes Ding machen.
Pablo Held mit Max Petersen im Interview am 9. Januar 2019
English
Max: For me, your trio is one of the most exciting bands in Europe right now. How did you actually get to know each other?
Pablo: When I was a teenager I went to the session in the “Jatz” in Dortmund every Monday and learned to play standards. There were always good bands from all over the region, that opened the session. Robert was there several times and so was Jonas. And of course I wanted to play with these guys. I don’t know if I really played with both of them there for the first time … for sure not in trio! When I came to Cologne to study, I found a session with both of them relatively soon. That was the first time we really played together – in Jonas’ old rehearsal room. I brought some older pieces with me and after that I said – at least that’s what they always tell me -: “You are now my trio!” After that we continued to play a lot of sessions and spent a lot of time together, listening to music, went to the cinema a lot, just hung out a lot. At some point we started playing more gigs. And so one day I was able to get in touch with Pirouet Records through my teacher Hubert Nuss …He recommend us and we were able to do some first recordings. And after those, we did another session and that became our first record, which was released in 2008.
Max: These are very close relationships now, aren’t they? Especially in a trio … You probably know each other very well now, don’t you?
Pablo: Yes. It’s actually more than a friendship. When you are together so much and have experienced so much together, I mean we are now in our 13 year as a trio. We have a deep friendship, of course, and we are close to each other, but there is actually something fraternal about it. It definitely feels that way. Just like you can tease each other as brothers. But you know that everything is always OK. … And at the same time there’s this “Big Brother, Little Brother …” dynamic, that actually exists with each of us. So, you can sometimes be the big brother or the little one.
Max: What is the age difference exactly?
Pablo: I’m 32 now, Robert is 37 and Jonas … Is already 37. So, of course I was always the youngest, but for most part they didn’t let me feel that. I could learn a lot from them, but then also, we just experienced a lot together. We actually keep looking back and realizing how much we have influenced each other. Musically, and of course personally too. When you have so many rehearsals together, you can learn a lot from each other, for example how to deal with difficult situations, with the vibe in a rehearsal, or how to deal with funny situations … There were times when we could hardly rehearse, because we were just laughing all the time – And it was somehow important for us. (laughs)
Yes … You can definitely learn a lot if you go through different phases. Different dynamics in one band. We have just been through a lot together and new paths and new situations are always opening up. Over the years, of course, there has grown a deep sense of trust, so that you can really speak about everything. We talk openly if there is something we don’t like, or we feel like we’re stuck, and same things often happen. We make sure that topics are not dragged off in any way. If you can address everything, always with respect, there is actually little that can stand in the way.
Max: Now you have projects, where you don’t have these kind of relationships. That work more in the sense of a “bandleader and sideman” concept. Are you experiencing the advantages and disadvantages of these different work approaches?
Pablo: Well I can’t compare anything to the trio and I don’t want to either. If you are starting out with a band and try comparing it to another 13-year musical relationship, the overcoming will be far too great, because it really goes deeper. It’s just something different. I’ve had a new quartet since 2018, and we only play when there is a new gig. And that’s not often with a new band. And it’s OK too. I can’t expect that there will be an interest like there is for the trio … Despite my decision to always have my trio as my main project, I would also like to do other projects, precisely because these can also inspire the trio from another side … so to speak, support them. I see all my other projects, such as my concert series or my interview series, my new quartet or when I play solo, as something that can inspire the trio. I’m not judging either approach, but I enjoy these opportunities where I can play with new people. With my series of concerts, it is the case that you really only meet each other at the gig. So, I send the music around by email weeks in advance, but you really only meet on that day. It’s the complete opposite of the trio. And that’s totally exciting for me, because a first meeting with people always has something magical, because everyone listens so very specially. Just like you listen better after a few years … But listening for the first time, everyone is still careful and curious and trying to find out exactly how the other one is playing. That’s why I’m trying to use rhythm sections that don’t know each other so that it’s really fresh. I find that particularly exciting.
Max: So, we for sure can’t expect a Pablo Held Trio album, with a different rhythm section?
Pablo: That would be a completely different band … But I can’t imagine another trio, to be honest. It has nothing to do with judging musicians. But the music that I write for piano trio, I write having Jonas and Robert in my mind. Nobody else can play this. No matter how good or bad he or she plays, the music is just written for these people. Of course, I also play a trio piece with another band – there is nothing wrong with that. I’ve written so many pieces over the years, if they were all exclusive, that would be nonsense. It’s also great when they can grow and develop in a different context. But when it comes to piano trio … I really try to do nothing else in this formation. So, I will not go on tour with another piano trio where I am the pianist, even as a sideman. Except, that would be completely different music now … I just thought so much about this line-up, this sound over the years, so that it is now irretrievably connected to these people.
Max: In your interview with Frank Kimbrough, Frank talks about Paul Bley and Paul’s so-called “wave time”. When I read this, I had to think of your trio, because I hardly know a formation that can do it as well as you do: This kind of rubato style playing, that reminds me very much of classical music. I find it particularly amazing how Jonas orchestrates that with the drums. I am thinking, for example, of the piece “Lament” from the album “Lineage”. Did you work on something like this, or did you try it out?
Pablo: Yes! A lot, actually. This is something that has bothered me for a long time. Basically, the question: “Why do you stay at a pace after you have counted the piece off?”. Of course, there are examples where this is not done that way … But I specifically related it to us. Why can’t you play eight bars of time and then eight bars of rubato? Why can’t you play seven bars of time and then one bar of rubato? We have always asked ourselves a lot of Questions as a group … Why can’t it be done differently? Why does a solo always have to start like this? I also thought about the fact that we practiced and worked out a lot of rhythmic ideas, be it “super-imposed rhythms”, groupings, etc. How do they sound in Rubato? How does a grouping sound in rubato style? What does an off-beat sound like in rubato style? What does a solo stop sound like? … everything we normally associate with groove. How can that feel in rubato style? We thought about it a lot and tried to work on it … Then it was also an important realization, that listening to many of the masters, playing time felt like a rubato … because it sounds so freely. So, when you think of Tony (Williams) in his later years with Miles – if he played at a faster pace there, it sounds almost like rubato style. And for many players that I heard that I didn’t like so much, it was that playing freely always sounded like “wait and see”. And after everyone just tries to cue each other, for when the next chord is supposed to come, instead of really listening. You know, sometimes playing rubato becomes this visual “cue orgy”. Instead of just listening … You can hear when a bass player plays a different bass note, and if not – you have to work on being able to do so. I had to do that. To deal with the instruments and their history or tradition.
And Jonas simply tries to familiarize himself with the composition of these rubato style pieces as well as possible, so that he can play freely around these phrases, which have a certain length – but not a metronomic tempo. This kind of freely flowing rhythm in classical music influenced me a lot. Why can’t the music breathe like it does in a string quartet?
Max: Yes, I was about to ask that if you think that’s because of that…
Pablo: Yes absolutely! All these influences, whether from symphonies, quartets or “Sacre du Printemps”, where there are incredibly rhythmic parts that… have a groove. And then, it is so free again … I just wanted to break the boundaries in my band, or the “apparent boundary” between these worlds … but also rhythmically, bringing the two sides closer together.
Max: If you record an album now, what does your process look like specifically? Now, you’ve talked about your process over the past 10 years. But if you record a new album with your trio in two weeks, what does your work process look like? Is there one?
Pablo: Yes! When we record an album, rehearsals are often made beforehand. For the first album we “prescribed” kind of a rehearsal phase. We tried out the new pieces a lot and then played standards and tried out rhythmic things. If you try new things, you have to be able to play them in familiar setting, like when playing jazz standards and then you can transfer it to new music. We did that a lot. Actually, rehearsals and concerts are routine, before each recording. That will probably be the case with the new record, that we will record in the summer. I just have to get familiar with the new music. Get rid of everything, that keeps me from letting go, while playing.
Max: You talked about free playing before and you referred to the so called “unknown”. Now you are the band leader of your trio. Do you think of a bigger concept before you go to the studio? Or how much in its production does it develop in the studio?
Pablo: It always depends on the piece, but for the most part everything happens in the moment. Sometimes we decide beforehand bass solo or piano solo … But actually there is rarely a bigger plan. If we record a longer piece, like “Lament”, it is very clear that at some point we want to play all of it … And that there is a solo part in the middle, etc. But still, all doors should always remain open for any developments…
Max: That means a Pablo Held Trio album is also a kind of documentation of your musical conversation? similar to a live concert.
Pablo: Yes, I do want to document my compositions in the studio, but there is a lot of freedom every time. Live, we’re taking even more freedom. Some of the pieces are completely deconstructed and only played in fragments – other time just played as written. Here, too, I want everything to be open. If the arrangement, or the “lack of understanding”, or lack of empathy, leads to you playing a part after all, even though you don’t feel like doing so, and the music doesn’t ask for it, it will sound terrible! We avoid these kinds of situations. This frees up the music … It’s a little less so in the studio, because you work for something that should last for a longer time, and then maybe I turn more into a composer who also wants to document the piece the way it was written down. Nevertheless, I see the pieces as a kind of map, where serves a certain route, but there are certain points where there is simply a question mark. So: “We will arrive here, but do not know what we will find there …” You have to find out together.
Max: You mentioned earlier that you got to play a lot at a very young age. These performance options and let’s call it early “career” – were these important for you and the development of your trio? And how important is the regular performance for you?
Pablo: It is incredibly important! I am interested in being able to play my music and keeping my band going. So, everything has to be done to make that possible. I can’t wait for someone to offer me gigs – I have to find them myself! I am the one, who makes sure that somethings going on! The more gigs we have, the more the music can grow.
Max: Now you’ve just had an interview with Hubert Nuss … for his generation of jazz musicians, booking was definitely a different experience. Young jazz musicians these days are facing different kind of challenges. We live in the age of streaming, social media and “jazz ahead”. I think musicians have different positions and choose different strategies to deal with that.
Have you already thought about how you feel about this? And how much time does it take in your life?
Pablo: It takes a lot of time and it is annoying too. I had a love-hate relationship with it for a long time. Because of my new label (Edition-Records) I have dealt with such things more. Ultimately, it’s about making my music and, on the other hand, trying to make my music reach people – pragmatically speaking. If I want my music to reach certain people, I have to use certain media that these people use so that my music is available for them there. If not my music, then me as a person, with what I do. I could refuse to do any of that – but I feel like I’m not at a point where I can afford to do that. You know, to switch off my cell phone, log out of Facebook, Instagram, take the music from all streaming platforms and say: “OK, if people want to hear or reach me, they have to write me a letter and then I will answer sometime. Otherwise I don’t do anything! When I release a new album, I expect people to find about it for themselves… ”. I have a feeling that this would not be appropriate in my situation. And long as I find a playful and less business-oriented way with social media platforms, it is an cost that I can accept. For me it is only serves one goal: I want to play more music and reach more people! I do not use social media to celebrate myself or to collect “likes”. No, it’s because I want to play!
Max: Playing more means more live concerts to you?
Pablo: When people ask me about my goals, I usually answer that I want to continue what I’ve been doing for some time already: My own projects, my concert series and my interview series. And I also want to play with a lot more other musicians, that I don’t know yet, be it with older masters or with very young people. I cannot just believe that my dreams will miraculously come true. I have to do something about it. Some things I’ve dreamed of for years have actually come true, but not because I just dreamed about them. But because of hard work to make them actually happen! This is also a question of mentality … Concerning social media, I try to do it the way, I would like to see my role models do it! When I post music, I actually want to see Wayne Shorter post music at some point. Or when I share an album that I’m listening to, I’m also interested in what my heroes are listening to. In this way, I ignore the completely justified question “Does anyone care now?” It’s like a switch that I press that says, “ Yes, somebody’s going to care…”
Max: You’re right, I’m interested in that, for example!
Pablo: I’m happy! … This is how I ultimately do it with music too: I try to play the way I would like to hear it. That way the chance is greater, that others will like it … In any case, the chances were smaller if I would be concentrating on pleasing others. You know?
Max: The fact that you have already given some thought to this shows that you are quite concerned. What would you recommend to jazz musicians who are new on the scene, when dealing with social media, business, etc.?
Pablo: I believe that the most important thing is to take care of the music and your peers. And regarding social media … someone who is ten years younger than me knows all about that anyway! I don’t feel like I can be a pioneer. I rather learn from the young people to deal with it. Furthermore, I find it very important to be clear about what you really want. Then it becomes apparent relatively quickly: If you want something, you have to do something for it. I often feel like people are waiting to be discovered. And in my opinion, you are giving away too much responsibility … You put your own destiny in the hands of others and wait for something to happen. Then thoughts come up like: “Why am I not asked for this project or band ..?” But the thing is, people only notice you when they know what you really stand for; If you stand up for something. You can’t just wait for others. You have to do your own thing.
Pablo Held interviewed by Max Petersen on January 9, 2019